Torten sind Meisterwerke der Konditoren. Durch exaktes Arbeiten und die Dekoration werden sie zu Hinguckern, denen man nicht immer widerstehen sollte. Auch das Herstellen ist genüsslich.
Ein einzelnes Wort kann eine ganze Bilderreihe auslösen. «Torte» ist ein solches Wort. Wer hat es nicht erlebt: das Ausblasen der Kerzen auf der Geburtstagstorte (inklusive der Puderzuckerwolke), der Abschluss des Familienfestes, das Anschneiden der Hochzeitstorte. Dazu Applaus, Lachen, frohe Gesichter und liebe Menschen. Ein Stück Torte macht auch einen kurzen Moment im Alltag zu einem kleinen Fest; für sich alleine zur Belohnung oder beim Kaffeeklatsch mit Freundinnen und Freunden. Zumindest für diejenigen, die das Kalorienzählen in diesem Falle beiseitelassen können. Ein Tortenstück darf eine Sünde wert sein und ist gerade deshalb auch etwas für einen besonderen Anlass.
Schweizer mögen es weniger üppig
Wer in Deutschland schon einmal zu Kaffee und Kuchen eingeladen war, kennt die Tortenkultur mit den hohen Kunstwerken aus Schichten von Buttercreme. Eine einzelne Garnitur, fast so gross wie eine Rumkugel aus unseren Konditoreien. Da sind die traditionellen Torten der Schweiz wie die Zuger Kirschtorte, Rüeblitorte, Engadiner Nusstorte oder die Solothurner Torte um einiges bescheidener. «Die Schweizer assen bereits früher weniger schwer und deftig als ihre nördlichen Nachbarn. Das zeigt sich auch bei den überlieferten Desserts», erklärt Urs Meichtry, Leiter Konditorei und Confiserie an der Bäckereifachschule Richemont in Luzern. «Wobei die Engadiner Nusstorte oder die St. Galler Klostertorte (die der ältesten Torte der Welt, der Linzertorte, ähnlich ist) keine eigentlichen Torten, sondern Serientörtchen sind», ergänzt der Fachmann. Gemäss Lehrbuch sind für ihn Torten Frischprodukte, die ein bis zwei Tage haltbar sind, in der Regel eine runde Form haben und aus Knusperboden, Biskuit, ein bis zwei Cremen oder Fruchteinlage und einem Abschluss bestehen.
Goldmedaille für schlichte Kreation
Die Rahmkirschtorte von der Bäckerei Dahinden in Weggis gewann bei der Swiss Bakery Trophy letztes Jahr die Goldmedaille. Sie erfüllt gemäss Urs Meichtry alle Kriterien, die eine gute Torte ausmachen: «Solides Handwerk, interessanter Geschmack und die Ausgewogenheit der Zutaten.» Bei dieser Rahmkirschtorte, die auch als Bundesrat-Schaffner-Torte bekannt ist, besteht der Knusperboden (und Deckel) aus Meringue, dazwischen ein helles Biskuit, befeuchtet mit einheimischem Kirsch. Für die Cremigkeit ist je eine Schicht aus geschlagenem Rahm zuständig. Ein paar gehobelte Mandeln als Dekoration runden die schlichte Kreation ab.
Spielen mit den Komponenten
Wenn man die Komponenten kennt, kann man damit spielen. Torten sind kaum Grenzen gesetzt. So kann der Knusperboden auch aus Japonais, einem dünnen Mürbeteigboden, aus Kuvertüre, gemischt mit Hüppenflocken, Mandeln, Pistazien und anderen Nüssen sein. Das Biskuit, das aus sehr luftig geschlagenem Eigelb und Zucker, vorsichtig gemischt mit Eischnee und etwas Mehl, besteht, kann auch mit Kakaopulver, gemahlenen oder gehackten Nüssen, Fruchtschalen, mit Kaffee oder anderen Zutaten aromatisiert werden. Alternativ gibt es auch Biskuitrezepte, die Butter enthalten. Sie sind entsprechend feinporiger und qualitativ hochwertiger. Dazu als weitere Komponente ein bis zwei Cremeschichten und/oder eine Fruchteinlage, mit Gelatine oder pflanzlichem Geliermittel stabilisiert. Der Abschluss vollendet die Torte, sei dies ein fester oder weicher Schokoladenüberzug, geschlagener Rahm, eine Puderzuckerglasur oder Rollfondant, die sich auch leicht einfärben lassen, mit gerösteten und/oder caramelisierten Nüssen den Rand einstreuen, aus Marzipan Garnituren formen …
«Nackte» Torten bei Bloggerinnen beliebt
Im Moment gefragt sind vor allem leichte Kreationen, unter anderem aus Joghurt oder Quark. Bei Bloggerinnen besonders beliebt sind sogenannte «naked cakes»; nackt, weil sie ohne Überzug auskommen.
Meist handelt es sich um mehrstöckige Torten, die bereits von aussen ihre einzelnen Schichten erkennen lassen. Damit das Tortenstück nicht zu gross wird, empfiehlt der Fachmann einen Tortendurchmesser von 22 cm bei 4 cm Tortenhöhe. Daraus entstehen 10 Stück, die etwa 100 Gramm wiegen. Spricht man mit Urs Meichtry, spürt man seine Lust am Kombinieren von Aromen, auch ausgehend von den bekannten. Für die Schwarzwäldertorte wählt er ganz klassisch ein Schokoladenbiskuit, das er zwei Mal quer halbiert und mit Kirschwasser befeuchtet. Während er für die eine Schicht geschlagenen Rahm nimmt, wählt er für die zweite eine Schokoladenmousse, die er mit Eischnee leichter macht. Das Biskuit ist mit Kirschwasser befeuchtet, die Kirschen lagen zuvor im Kirschwasser.
Mit Torten Farbe auf den Tisch bringen
«Torten sind Lifestyle-Produkte, man braucht sie ja nicht zum Leben. Dafür sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt», ist auch Sara Hochuli überzeugt. Die gelernte Grafikerin und Autodidaktin in Patisserie stellt seit acht Jahren bunte Kunstwerke aus luftigen Mousses, Biskuits und Fruchtkomponenten her. Jede ihrer Torten ist mit farbigem Rollfondant überzogen und mit mehr oder weniger üppiger Dekoration versehen.
Ausgehend von Nahrungsmitteln oder Produkten, durch Gegensätze oder Foodpairings entstehen bei ihr neue Kreationen. So inspirierte sie eine eher dunkle und komplexe Kuvertüre zu einer Seemanns-Sehnsuchtstorte, in der auch Whisky, Rauch und eine Prise Salz mitspielen. «Ich suche die goldene Mitte zwischen exotischen, experimentellen und einfachen, klaren Kreationen.» Die Cranberry-Thymian-Kirschentorte hatte weniger Chancen. Das Wort «Thymian» schreckte ab. Nicht fehlen darf in ihrem Sortiment der Dreamcake mit Schokoladenmousse-Passionsfrucht-Mango-Füllung. Kompromisse macht auch sie nicht bei den Zutaten. So arbeitet sie mit Lebensmittelfarben, ohne Zuckerersatz oder andere kalorienreduzierte Produkte. Wenn man sich schon ein Stück Torte gönnt, dann soll sie von A bis Z überzeugen.
Monika Neidhart