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Meine Tante Pauline

Meine Tante Pauline

Zuletzt stirbt die Hoffnung…, doch manchmal hält man sich auch an etwas fest und muss später erkennen, dass das erste Bauchgefühl richtig war: «Hätte ich doch Nein gesagt.» Doch einfach gehen und Tschüss sagen, war nie meine Devise.

Die älteste Schwester meines Vaters hiess Pauline. Ich erinnere mich, dass in meinem Elternhaus sehr viel von Tante Pauline gesprochen wurde. Schon in jungen Jahren zog sie nach Paris, arbeitete dort und kam jeweils während ihrer Ferien im Sommer für vier Wochen nach Hause. Richtig kennengelernt hatte ich sie erst mit etwa neun Jahren, bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich sie nur von Fotos und aus Erzählungen.

Das war die Familie

Die Familie meines Vaters bestand aus Vater, Mutter und vier Kindern – zwei Knaben und zwei Mädchen. Eigentlich sollten es ja nur drei Kinder werden, aber die letzte Schwangerschaft meiner Grossmutter war von Zwillingen gekrönt. Grossvater arbeitete als Feilenhauer und Grossmutter bügelte Wäsche für reiche Leute. So half sie mit, die Familie zu ernähren, denn mit dem kleinen Lohn meines Grossvaters war es schwierig, eine sechsköpfige Familie zu ernähren und ihnen Kleider zu kaufen. Es war üblich, dass der erstgeborene Sohn eine Lehre machen durfte, für die anderen gab es keine Möglichkeit. Sie mussten einfach nur arbeiten gehen, Geld verdienen und mit ihrem Lohn zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Das galt besonders für die Mädchen, da sie ja sowieso irgendwann heiraten würden.

Tante Paulines Weg

Nach ihrem Schulabschluss arbeitete Tante Pauline in einem Heim in St. Gallen. Sie wusch und bügelte Wäsche, natürlich für «Gottes Lohn». Sie erhielt einzig Kost und Logis, was für die Familie einen Mund weniger am Tisch bedeutete, den es zu füttern galt. Tante Pauline aber wusste bereits schon in jungen Jahren, was sie wollte. In St. Gallen wurde es ihr bald zu eng und zu langweilig. Sie war auch nicht mehr bereit, irgendeine neue Arbeit in der Umgebung zu suchen. So beschloss sie, in ein anderes Land zu gehen. Sie wollte Erfahrungen sammeln und eine andere Sprache lernen. Mit knapp 17 Jahren zog sie nach Paris und schlug sich mehr oder weniger gut als Haushaltshilfe und Kindermädchen durch. Im Lauf der Jahre brachte sie es dann bis zur Herrschaftsköchin und arbeitete viele Jahre bis zu ihrer Pensionierung bei einer sehr reichen ­Familie.

Grosser Bahnhof

Die Vorbereitungen für Tante Pauline, wenn sie jeweils nach Hause in die Schweiz reiste, waren enorm. Mein Vater freute sich wie ein Schneekönig auf seine Schwester. Meine Mutter erklärte mir schon Monate im Voraus, wie ich mich ihr gegenüber zu verhalten hätte, und meine Grossmutter väterlicherseits putzte und schrubbte das Zimmer auf Hochglanz, stellte Blumen ins Zimmer und musste diese natürlich mehrere Male erneuern, da sie immer wieder verwelkten. Wir kannten alle das Datum ihrer Ankunft, und die Kleider, die zu ihrem Empfang angezogen werden mussten, lagen bereit – ganz so, als ob der Zug schon in den nächsten fünf Minuten im Bahnhof einfahren würde. Im ganzen Haus wurde geputzt, und alle hofften, dass genügend Vorräte da waren, damit Tante Pauline all das Essen, das sie kannte und liebte, in genügendem Mass geniessen konnte.

Meine Tante von Welt

Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich hatte ja noch andere Tanten, bei denen wurde jedoch nie ein solches Theater gemacht. Der Unterschied war vermutlich: Tante Pauline kam aus Paris und Tante Mirzel, Tante Martha und Co. nicht. Ich war sehr gespannt auf Tante Pauline und fragte meine Mutter bereits im Vorfeld Löcher in den Bauch. Die Antwort war dann immer: «Du wirst schon sehen! Sie spricht Französisch und ist sehr weltgewandt. Sie hat exzellente Umgangsformen. Ja, sie ist eine Dame von Welt!» Irgendwann stöberte ich in Fotoalben und entdeckte eine Fotografie, die ich noch nicht kannte. «Wer ist das?», wollte ich wissen. «Das ist deine Tante Pauline, und bald schon wirst du sie kennenlernen. Nur noch einmal schlafen, dann kommt sie», erhielt ich als Antwort. «Potz Blitz, die sieht ja aus wie ein Filmstar!» Wie gebannt schaute ich auf das Foto. Ich sah das Profil einer schönen, feinen Frau mit halblangen, dunklen Haaren und «Bubenwinkerli». Die «Bubenwinkerli» faszinierten mich ganz besonders, und ich überlegte mir, wie die das fein geschwungene Haar so präzise zusammenhalten konnten. Als ich meine Mutter fragte, wie man das macht, lachte sie nur und meinte: «Frag sie selber!»

Deutsch oder Französisch?

Natürlich werde ich sie fragen, vielleicht kann ich ja etwas lernen. Das Foto mit Tante Pauline kam zu mir ins Zimmer. Ich legte es unter das Kopfkissen. Als ich im Bett lag, nahm ich es wieder hervor, schaute es an und begann mit ihr zu sprechen. Ich erzählte ihr, dass sich alle die grösste Mühe geben, ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, und dass ich mich freue, sie kennenzulernen. Auf einmal hatte ich aber ein Problem! Sie sprach ja Französisch und ich Deutsch. Wie kann ich sie nach den Bubenwinkerli fragen? Diese Bubenwinkerli begannen mich so sehr zu beschäftigen, dass ich vor dem Spiegel begann, mir welche zu frisieren. Ich drehte und verknotete meine Haare, aber trotz aller Bemühungen hielten sie einfach nicht.

Die Not mit dem Französisch

Ich konnte kein Französisch, ich brachte es nicht fertig, Bubenwinkerli zu drehen, da half nur noch ein Schrei nach meiner Mutter. Kreidebleich kam sie in mein Zimmer und glaubte, dass ich schlecht geträumt hätte. Ich sass in meinem Bett und schluchzte: «Wie soll ich denn bloss mit Tante Pauline sprechen?» Ich war traurig und wütend, und niemand half mir. Nicht einmal meine Mutter! Sie schaute mich nämlich nur an, und dann lachte sie und konnte sich fast nicht mehr erholen. Sie lachte so lang, bis mein Vater ins Zimmer kam, um nachzuschauen, was hier abging. Als meine Mutter ihm von meinen Befürchtungen erzählte, begann auch er schallend zu lachen.

Viel zu klein

Ich, immer noch im Bett sitzend, verstand jetzt überhaupt nichts mehr. «Die lachen mich aus», dachte ich, und begann darum noch lauter zu weinen. Das nützte! Meine Mutter setzte sich auf die Bettkante, nahm meine Hand und erklärte mir, dass Tante Pauline doch Deutsch könne und dass ich mich ganz bestimmt bestens mir ihr unterhalten könnte. Bei meiner Frage nach den Bubenwinkerli wurde sie dann etwas verhaltener und meinte: «Weisst du, du bist noch viel zu klein, um solche Dinger zu tragen. Das kannst du dann einmal, wenn du gross bist.» So musste ich annehmen, dass Bubenwinkerli etwas Schlechtes sind, und darum interessierten sie mich jetzt erst recht. Ich nahm mir vor, dass meine erste Frage an Tante Pauline, die Bubenwinkerli betreffen würde. So war ich zumindest fürs Erste beruhigt.

Ein paar Brocken Französisch

Meine Mutter merkte, dass mich der Besuch sehr beschäftigte, und darum wollte sie mir noch einige Wörter auf Französisch beibringen. So lernte ich noch am gleichen Abend «bonjour», «bonne nuit» und «chère Tante Pauline». Hurra, ich kann Französisch! Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief ich ein. Mit einem «Boschur» begrüsste ich am Morgen meine Mutter und war so stolz, dass ich das Wort noch prä sent hatte. «Gehen wir jetzt zum Bahnhof? Sie kommt sicher bald an!» Meine Mutter schüttelte den Kopf. «Erst am Abend», erklärte sie mir. Die Mittagszeit kam, nur die Ankunft des Zugs kam nicht. Ich hatte grosse Bedenken, dass ich bis dahin kein Boschur und kein Bonnüi mehr können würde und dass ich meine Frage nach den Bubenwinkerli vergessen haben könnte.

Alles war anders

Erst verging die Zeit nur langsam, doch dann rief mich meine Mutter zu sich und zog mir ein sauberes Kleid und Kniestrümpfe an. Und dann ging auf einmal alles sehr schnell: Mit dem Velo fuhren wir zum Bahnhof. Dort standen bereits meine Grossmutter mit einem kleinen Leiterwagen und mein Vater mit dem Velo. Wofür sollte denn bloss dieser Leiterwagen gut sein? Mein Vater erklärte mir, dass der Gepäckträger seines Velos kaum für Tante Paulines Gepäck ausreichen würde, und deshalb hätten sie vorgesorgt und diesen Leiterwagen mitgenommen. Alles war anders als sonst! Meine Eltern waren anders, Grossmutter war anders und auch dieser Leiterwagen wurde auf einmal – ganz anders – für Gepäck benützt. Sonst diente er doch dazu, den reichen Leuten ihre gebügelte Wäsche zurückzubringen. «Oh, quelle petite fille!» Das Signal auf dem Bahnhof ertönte, der Zug fuhr ein. Grossmutter setzte sich den kleinen, hellbraunen Hut gerade, mein Vater klopfte auf seine Hosen, und meine Mutter strich ihr Kleid gerade. Und ich? Ich schaute auf meine blank polierten Schuhe, wiederholte Boschur und Bonnüi und liess mir meine Frage, die ich stellen wollte, nochmals durch den Kopf gehen. Und dann hielt der Zug! Wie gebannt schauten wir durch die Fenster und hofften, irgendwo Tante Pauline zu erblicken. «Da!» Der Schrei meines Vaters weckte mich aus meinen Französischrepetitionen. Ich wurde an der Hand mitgezogen, und dann standen wir vor der Tür. Sie war bereits geöffnet. Und dann kam sie! Langsam stieg sie die Treppe hinunter, zog ihre Koffer und ihre Taschen nach. Zuerst schloss sie meinen Vater in die Arme, dann meine Grossmutter, dann meine Mutter, und zuletzt sah sie mich. «Oh, quelle petite fille! Tu es gentille, ma petite, ma chère Ürsüli!» Sie umarmte mich und nahm mich an die Hand, als ob ich ihr gehörte. Mein so tapfer gelerntes Wort Boschur konnte ich gar nicht mehr sagen, denn jetzt musste ich aufpassen, dass sie mir mit ihren hochhackigen Schuhen nicht auf die Füsse stand. Solche Schuhe trug meine Mutter keine, nur solche mit viel niedrigeren Ab­sätzen. Die von Tante Pauline wären in unseren Breitengraden kaum ohne Waffenschein erhältlich gewesen.

«Tortenschachtel» mit Überraschung

An der einen Hand hielt sie mich fest, in der anderen hielt sie einen grossen, runden Karton und ihre Handtasche. Was war wohl in diesem runden Karton? In der Konditorei Forster hatte ich schon einmal so etwas Ähnliches gesehen, aber dort drin wurden Torten transportiert. «Sie bringt doch wohl keine Torte aus Paris nach Arbon?», fragte ich mich. Erst später wurde mir klar, dass es sich bei dieser runden Schachtel um eine Hutschachtel handelte, die zwei neckische kleine Hüte enthielt und als Geschenk für meine Grossmutter bestimmt war. Stolz schritt nun die ganze Familie mit dem Leiterwagen die Sankt-Galler-Strasse entlang nach Hause zur Weingartenstrasse. Unterwegs sahen wir viele Leute, die blieben hie und da stehen und begrüssten uns. Ich hatte das Gefühl, dass ganz Arbon wusste, dass Tante Pauline aus Paris ihre Ferien zu Hause verbringen würde.

«Comme il faut»

Zu Hause angekommen, stand Tante Pauline vor dem Gartentor, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rief immer wieder: «Ma maison, je suis très heureuse d’être à la maison!», und nahm ihre Mutter in den Arm. Es war fast ein bisschen ergreifend, und ich hätte heulen können. Es ging dann weiter die Treppe hinauf in den oberen Stock, und dann waren wir in der Wohnung meiner Grossmutter. Tante Pauline stürzte in ihr Zimmer und kontrollierte alles. Die Fenster waren geöffnet, das Bett angezogen, die schöne Tischdecke auf dem Tisch, frische Blumen in der Vase. Die Madonna stand noch immer auf der Kommode, das Nachttischlämpchen funktionierte, und der de chambre pot stand unter dem Bett. «Voilà, tout est comme il faut!» Sie setzte sich glücklich und zufrieden auf das Bett. Ich stand unter dem Türrahmen und schaute diesem Treiben zu. «Ah, ma petite nièce. Viens ici, laisse t’embrasser!» Ich verstand überhaupt nichts, aber ihre Worte klangen so, als ob sie mich gern in ihrer Nähe hätte.

«Ich möchte auch solche»

Ich ging zu ihr. Sie drückte mich ganz fest an sich, und dabei kam meine Wange ganz nah an ihre Bubenwinkerli. Ich hielt beinahe den Atem an! Aber diese Bubenwinkerli waren überhaupt nicht weich, wie Haare in der Regel sind, sondern sie waren steinhart. Es war nun absolut klar: Ich musste jetzt die Frage stellen! Mit Tante Pauline hatte ich bisher noch keine drei Worte gesprochen, weil ich schlicht und einfach nicht dazu gekommen war. Aber jetzt schlug meine Stunde! Ich schaute sie an, wahrscheinlich etwa so wie das Rotkäppchen, als es die Grossmutter besuchen wollte, und den Wolf, verkleidet als Grossmutter, im Bett vorfand. Wie sollte ich beginnen? Zeige ich ihr, dass ich sogar Französisch kann, und beginne mit Boschur, oder frage ich sie direkt nach den Bubenwinkerli? Oder sollte ich gar beides sagen? Ich fasste mir ein Herz und begann: «Boschur, bonnüi.» Damit wollte ich zeigen, dass mein französischer Wortschatz zwei Wörter umfasste. Sie begann zu lachen und zerrte mich wieder an sich, und wieder war ich ganz nahe an den Bubenwinkerli, die noch am gleichen Ort und überhaupt nicht verrutscht waren. Ich dachte schon an Leim und Kleister und fragte dann: «Darf ich das mal anfassen?» Dabei zeigte ich auf die beiden Bubenwinkerli. Sie betrachtete mich mit ihren grossen, dunklen Augen und meinte: «Natürlisch, bien sûr, aber pass auf!» Worauf soll ich denn jetzt wieder aufpassen? Waren die etwa künstlich oder gar zerbrechlich? Zaghaft hielt ich den Zeigefinger hin und strich darüber. Es nahm mich wirklich wunder, wie die gemacht werden, und daher gestand ich: «Boschur Tante Pauline, ich möchte auch solche!» Ich hatte Bubenwinkerli! Sie lachte und meinte: «Das ist nichts für kleine Mädchen. Weisst du, mit diesen winkt man den jungen Männern, und kleine Mädchen dürfen doch noch nicht winken. Erst, wenn du grösser bist, dann darfst du das! In Paris tragen alle Frauen solche, sie machen einen schön und begehrenswert, und den jeunes hommes gefällt das!» Was bedeutet jetzt schon wieder begehrenswert, und warum gefällt das den jungen Männern? Ich hatte nun tatsächlich den Verdacht, dass diese Bubenwinkerli etwas Schlechtes waren, und daher interessierte mich die Sache immer mehr. Warum trug Tante Pauline diese Bubenwinkerli?

Jetzt wollte ich erst recht wissen, wie man diese Bubenwinkerli macht. Ich stellte ihr darum die Frage: «Tante Pauline, wie macht man diese Bubenwinkerli? Warum halten die so gut bei dir?» – «Das ist ein Geheimnis», meinte sie. Ich liebte Geheimnisse, daher versicherte ich ihr: «Ich sage es gar niemandem!» Sie erlag völlig meinem Charme und meiner Hartnäckigkeit und zog mich vor den Spiegel. Sie nahm eine Haarbürste, griff nach ein paar Haaren auf meiner linken Seite, prüfte sie und sagte: «Warte schnell, ich hole etwas in der Küche.» Bald darauf kam sie mit einem Glas Wasser und einem Kuchenpinsel zurück. Sie ergriff wieder eine Haarsträhne und drückte diese ganz fest auf meine linke Wange. «Bon», sagte sie, nahm den Pinsel, tauchte ihn ins Wasser und zog feine Striche auf meinen Haaren. Das wiederholte sie ein-, zwei-, dreimal und sagte dann wieder: «Bon!» Dann liess sie ihre Finger von meinen Haaren, und ich glaubte, nicht richtig zu sehen: Ich hatte Bubenwinkerli!! Mit meinen Fingern griff ich nach der Strähne auf meiner linken Wange und, oh Schreck, die war steinhart! Aber mir gefiel die Pracht so gut, dass ich laut jubelnd aus dem Zimmer sprang, direkt in die Arme meiner Mutter. Die schaute mich verdutzt an, stellte mich auf den Boden und ging schnurstracks zu meiner Tante ins Zimmer. «Man formt sie – et voilà!» «Ich verbiete dir, mit meiner Tochter solche Experimente zu machen! Sie ist ein Kind, und das, was du ihr gemacht hast, gehört sich einfach nicht! Wenn du dieses neumodische Zeug nachmachst, so ist das deine Sache, aber kleinen Kindern deine Frisierkünste anzubringen, ist widerlich!»

Nun war es ganz klar für mich: Bubenwinkerli sind schlecht! Ich war so enttäuscht, dass alle so enttäuscht von Tante Paulines Frisierkünsten waren. Sie wollte mir doch eine Freude machen, aber leider ging das voll in die Hosen. Meine Mutter holte sich eine Haarbürste und wollte mir die steinharte Strähne ausbürsten. Diese war aber so fest, dass es nur mit grösster Mühe gelang, die Haare wieder auseinanderzubringen. Meine Mutter drohte mir schon mit einem Kahlschnitt. Da sie auch keine Ahnung hatte, warum und womit diese Strähnen hielten, erkundigte sie sich bei Tante Pauline nach dem Rezept. «Es ist ganz gewöhnliches Zuckerwasser, das man über die Haare streicht, sie formt – et voilà!» Es geschah dann ein paar Monate später. Tante Pauline war längst wieder in Paris, als ich an einem Abend einen Aufschrei aus dem Badezimmer hörte: «Himmel, Donnerwetter noch einmal, warum hält das denn nicht?» Ich stiess die Tür zum Badezimmer auf und traute meinen Augen nicht. Meine Mutter stand vor dem Spiegel und versuchte sich Bubenwinkerli zu formen. Aber eben, es gelang ihr nicht. Da ging ich zu ihr und meinte: «Tante Pauline kommt ja nächstes Jahr wieder, dann kannst du sie ja nochmals fragen, wie man das macht.» «Warum darfst du solche Bubenwinkerli tragen und ich nicht …?» Diese Frage getraute ich mich nicht mehr zu stellen, denn das hätte vermutlich ein Riesendonnerwetter ausgelöst.

Ursula Gentsch, Arbon

«Mann-oh-mann!»

Wie sich die Rolle des Mannes in wenigen Jahrzehnten verändert hat und wie der «moderne» Mann damit umzugehen weiss. Oder eben auch nicht. Eine Bestandesaufnahme (Teil 1).

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