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Ton um Ton zum Traum

Ton um Ton zum Traum

Aus aktuellem Anlass: Dieser Beitrag wurde im November 2019 im active & live veröffentlicht.

Sein Markenzeichen ist die Fliege; und wenn er singt, fliegen ihm die Herzen zu: Der junge Toggenburger Remo Forrer verzaubert ein immer grösseres Publikum mit seiner Stimme. Ob am Piano oder als Musicaldarsteller: Von dem 18-Jährigen wird in nächster Zeit noch viel zu hören sein.

Der Pharao steht genau im Scheinwerferlicht, sein Turban funkelt, das Gewand schimmert golden. Er macht einige Schritte auf das Publikum zu und verkündet dann theatralisch: «So viel Verantwortung lastet auf den Schultern eines Königs. Aber ich muss lernen, König meines eigenen Herzens zu sein.» Er geht zurück zum Mikrofon, umklammert es, und als er zu singen beginnt, erfüllt seine kraftvolle Stimme die Bühne und den ganzen Saal. Man staunt, dass der eher zart wirkende Pharao zu einer solchen Stimmgewalt fähig ist. Als er samt Mikrofon übertrieben dramatisch auf die Knie fällt, sind ihm die Lacher sicher.

Der Pharao heisst im richtigen Leben Remo Forrer, ist soeben volljährig geworden und hat an diesem Montagnachmittag in einem Café in Wattwil eine Cola statt eines Mikrofons vor sich stehen. In Jeans und Pulli wirkt er wesentlich jünger als in seiner Rolle als Pharao im Musical «Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat» von Andrew Lloyd Webber in der Tennishalle Unterwasser in Toggenburg, das im Früh­sommer zur Aufführung gelangte. «Es war eine anspruchsvolle Rolle für mich», blickt der Sänger und Musicaldarsteller zurück. «Ich bin es nicht gewohnt, so mächtig zu sein.» Gleichzeitig habe er genau dieses ungewohnte Gefühl genossen. Ungewohnt sei auch die Kopfbedeckung gewesen. Und dass er den Pharao mit Witz und Paro­die und trotzdem mächtig darstellen sollte, habe ihn gefordert, aber auf eine gute Art. «Das Witzige dieser Rolle bereitete mir sehr viel Spass», sagt er. «Ein bisschen Broadway in Unterwasser», titelte das St.Galler Tagblatt nach der Premiere.

Bodenständig wie Hemberg

Als nach der Derniere der letzte Applaus verklungen war, fiel Remo Forrer nach der intensiven Probe- und Aufführungszeit in ein Loch. In ein kleines nur, denn seine Agenda war und ist noch immer voll. Da ist seine Lehre in einem Sportgeschäft, die er unbedingt abschliessen will. Da sind unzählige andere Auftritte auf kleineren und grösseren Bühnen und die Teilnahme an einer Talentshow. Und da sind immer mehr Anfragen. «Im Moment vor allem für Hochzeiten», erzählt er. Doch an den Samstagnachmittagen steht er im Lehrbetrieb und berät Kundinnen und Kunden – und das soll mindestens bis zum Lehrabschluss im nächsten Sommer so bleiben. Denn Erfolge hin, die Liebe zur Bühne her, der 18-Jährige ist so bodenständig geblieben wie seine Herkunft, das kleine Dorf Hemberg auf dem Hügel oberhalb von Wattwil. Dort, wo fast alle in einem Jodelchörli mitsingen und «Huusmusig» in der Familie gepflegt wird.

So ist es auch bei den Forrers. Die volkstümliche Musik gehört zum Alltag wie Zähneputzen. Der Vater spielt Handorgel, Schwyzerörgeli, komponiert und tritt im Ländlertrio Forrer-Dütschler auf; der Bruder spielt Handorgel und Bassgeige, komponiert ebenfalls und ist in einer Formation aktiv. Kein Wunder, widmete sich auch Remo zunächst der Handorgel, trat mit der kleinen Familienformation auf. Der Blockflötenunterricht blieb eine kurze Episode, denn weit interessanter erschien dem Primarschüler das Keyboard der Mutter. Rasch brachte er sich mithilfe von YouTube-Filmen erste Akkorde bei, besuchte einige Stunden und konnte nicht mehr aufhören zu spielen – meist nach Gehör.

Vorbild Eliane Müller

Die Handorgel verkümmerte in der Ecke, während die Keyboardtasten beinahe glühten und der junge Pianist seine grösste Leidenschaft erst entdeckte: das Singen. Als Zehnjähriger durfte er im Singunterricht erstmals seine Klasse am Klavier begleiten. «Gesungen habe ich schon immer gerne», erinnert er sich, «allerdings ohne Ambitionen.» Doch je häufiger er sang, desto offensichtlicher wurde seine Gabe und desto stärker sein Wunsch, Sänger zu werden. Dabei verliess er peu à peu seine volksmusikalische Herkunft und wandte sich immer öfter der Popmusik zu. Bald besuchte er Gesangsstunden. Sein Vorbild: Sängerin und Pianistin Eliane Müller, die 2012 die Castingshow «Die grössten Schweizer Talente» gewann. Er lernte sie auf einem Konzert persönlich kennen, hielt in der Schule einen Vortrag über sie, und als sie gar lobende Worte für seinen Gesang fand, gewann sein Wunsch, seine Sängerkarriere voranzutreiben, an Flugkraft.

«Meinen ersten Auftritt hatte ich auf dem Bräkerplatz, gleich da vorne», erzählt Remo und zeigt mit dem Arm aus dem Fenster. «Das war mit der Musikschule.» Denn längst hatte auch seine Gesangslehrerin das Talent ihres Schülers erkannt. So kam der junge Sänger ins Förderprogramm der Musikschule Toggenburg, und vor zwei Jahren nahm er – genau wie sein Idol Eliane Müller – an einem Casting teil: an der Zentralschweizer Talentshow «Stimmen der Zukunft» in Zug. Mit seinem weissen Hemd und der schwarzen Fliege sass er am Piano und entzückte mit Ed Sheerans «Castle on the Hill» die Jury. Dass er kaum nervös war, erstaunt ihn bis heute. Remo Forrer schaffte es zwar nicht aufs Podest, dafür gewann er zu seiner Verblüffung den «Photographer’s-Choice-Preis». Er schmunzelt: «Die Fliege ist bei der Jury gut angekommen, sie ist inzwischen mein Markenzeichen.» Bereits vier Modelle zählt sein Sortiment.

Plötzlich nervös

In den rund zwei Jahren seit jenem Auftritt in Zug ist viel passiert. So erinnert er sich lebhaft an sein Konzert bei einer grossen Generalversammlung in St.Peterszell, wo er die Oberstufe besucht hatte und im Publikum Hinz und Kunz kannte. «Als ich viele meiner ehemaligen Lehrerinnen und Lehrer erkannte, nahm das Lampenfieber schlagartig zu.» Dabei windet er seinen Lehrerinnen und Lehrern von damals genauso wie der Schulleiterin ein Kränzchen: «Sie ermöglichten mir Proben und Auftritte während der Schulzeit und gingen sehr kulant mit meinen Absenzen um. Ohne diese Unterstützung wäre ich nie so gut vorangekommen», sagt er und erwähnt auch seinen Lehrbetrieb, der ihn ebenfalls springen lasse, wenn wieder ein Casting, eine Probe oder ein Auftritt anstehe und er Richtung Bühne eile.

Die Bühne ist ein Ort, den er am liebsten «nie mehr verlassen» würde. Die Vorfreude dominiere, die Nervosität rücke in den Hintergrund. «Müsste ich auf der Bühne sprechen, wäre es wohl umgekehrt», vermutet er mit einem Lachen. «Aber beim Singen weiss ich, dass es gut kommt.» Es klingt kein bisschen kokett, wie er das sagt. Es ist die Summe seiner Erfahrungen, dazu gehört zum Beispiel auch seine Solistenrolle in «Peter Pan», dem früheren «Musical Toggenburg». Die Musicals brachten ihn nach dem Klavierspiel und Gesang zu seiner dritten Passion, der Schauspielerei. Wohin es nach der Lehre genau gehen soll, weiss der Hemberger noch nicht. Eine Musicalschule zu besuchen, reizt ihn genauso wie ein Musikstudium. Ob der Schwerpunkt auf Gesang, Klavier oder Schauspielerei liegen wird, wird sich weisen. Doch so oder so wird Musik in seiner beruflichen Zukunft die erste Geige spielen. Sie ist und bleibt die Königin seines Herzens.

Franziska Hidber

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