Wie sich die Rolle des Mannes in wenigen Jahrzehnten verändert hat und wie der «moderne» Mann damit umzugehen weiss. Oder eben auch nicht. Eine Bestandesaufnahme (Teil 1).
Das Bild ist noch in unseren Köpfen, man denke nur an die Spielfilme oder Serien aus den 50er oder 60er Jahren. Der Mann, akkurat mit Anzug und Krawatte, die lederne Aktenmappe unter dem Arm, kommt nach der anstrengenden und zermürbenden Arbeit ins traute Heim, die Gattin, gelockt und frisch toupiert, im netten Kleidchen, die Küchenschürze vorgebunden, begrüsst den Göttergatten. Die Kinder strömen herbei, der Tisch ist gedeckt, im Ofen steht das Abendessen bereit. Kein Convenience Food, natürlich selbst gemacht, idealerweise nach einem Rezept der Schwiegermutter. Der Mann in seiner Rolle als Ernährer, Beschützer, treusorglicher Vater und Ehemann und Erzeuger seiner Kinder. Sie als aufgehübschtes, allzeit bereites Heimchen am Herd.
Herrliche Zeiten, tempi passati. Der Mann hat die Krawatte, die Frau die Schürze an den Nagel gehängt. Heute stehen sich gleichberechtigte Partner gegenüber. Was sich über Dekaden – zumindest in der medialen Darstellung – bewährt hatte, wurde in wenigen Jahrzehnten über den Haufen geworfen. Und der Mann von heute steht eigentlich blöd da. Doch warum?
Um die jüngere Geschichte des Mannes zu durchschauen, muss man eigentlich die Geschichte der Frau beleuchten, denn sie war es, die in kürzester Zeit eine Entwicklung durchlaufen hat, die, verglichen mit den Jahrhunderten zuvor, in einem Zeitraffer ablief. Werfen wir also einen Blick zurück.
Ein Blick zurück
1934 ging ein Bild und eine Geschichte durch die Schweizer Presse: Nelly Diener wurde die erste Airhostess bei der Swissair. Ein Novum. Allerdings war Diener tatsächlich «Diener», denn ihr oblag es, den Passagieren Kaffee und Kuchen und weitere lukullische Aufmerksamkeiten zu servieren. Am Steuerknüppel sass – selbstverständlich – ein Mann. Diener, die noch im gleichen Jahr bei einem Flugzeugabsturz in Tuttlingen starb, ging als «Engel der Lüfte» in die Annalen der Schweizer Luftfahrt ein.
Ganz anders im Jahr 1983. Die Crossair stellte mit Regula Eichenberger die erste Linienpilotin in den Dienst. Die Swissair ihrerseits, etwas behäbiger, beschloss im Juni gleichen Jahres, eine Studie in Auftrag zu geben, um das weitere Vorgehen für die Ausbildung der ersten weiblichen Pilotenschüler in der Schweizerischen Luftverkehrsschule vorzubereiten.
1987 schliesslich war es so weit. Gabriela Musy-Lüthi nahm als erste Co-Pilotin der Swissair Platz im Cockpit einer MD80. Auch dieses Bild einer jungen Frau mit den blonden Locken in Uniform machte schweizweit Schlagzeilen. Im September 1998 schliesslich wurde Musy-Lüthi zum Captain befördert. Zusammen mit First Officer und Co-Pilotin Claudia Wehrli führte sie 1999 den ersten Swissair-Flug mit reiner Frauenbesatzung durch. Eine erste – bisher rein männliche – Domäne war geknackt.
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Die erste Militärpilotin
Um vorerst beim Luftverkehr zu bleiben, auch die Schweizer Armee machte einige Fortschritte. Lange Zeit waren Frauen bei der Armee als subsidiäre (Hilfs)Kräfte geduldet, doch erst im Jahr 2007 wurde ihnen der gleichberechtige «Dienst an der Waffe» bewilligt, und erste weibliche Soldatinnen und Offiziere wurden ausgebildet. 2013 schliesslich wurde Murielle von Büren die jüngste Militärpilotin der Schweiz, ausgebildet auf einem Super Puma, dem stärksten und grössten Helikopter der Schweizer Luftwaffe. Erste Einsätze fliegt von Büren im Kosovo.
Es dauerte bis ins laufende Jahr 2018, als Fanny Chollet sich an den Steuerknüppel einer F/A-18 Hornet setzen durfte. Die F/A-18, etwas angejahrt in der Zwischenzeit, aber bislang das modernste Flugzeuge der Armee, ist ein Kampfjet mit Überschallgeschwindigkeit und multipler Bewaffnung, einsetzbar für den Kampf in der Luft und am Boden. Chollet ist zudem die erste F/A-18 Pilotin ausserhalb Nordamerikas. Eine Kampfpilotin im Cockpit eines Militärjets? Eine weitere Männerdomäne war gefallen.
Politik macht Frauen Beine
Doch, wen wunderts, auch die Politik machte Fortschritte. Reichlich spät, am 7. Februar 1971, stimmten die Schweizer (Männer) dem Frauenstimmrecht auf Bundesebene mit 65,7 Prozent zu, sechseinhalb Kantone stimmten dagegen. Doch es sollte noch fast unglaubliche weitere zwanzig Jahre dauern, bis es in allen Kantonen eingeführt wurde. An einer denkwürdigen «Landsgmänd» am 29. April 1990 lehnten die Appenzell-Innerrhödler Männer das Frauenstimmrecht mit «Säbel-Entscheid» deutlich ab (Anm. der Red.: Der Verfasser dieses Beitrags war persönlich anwesend). Es flossen damals, in den hinteren Reihen, ausserhalb des Kreises, reichlich Tränen. Noch im gleichen Jahr, am 27. November 1990 gab das Bundesgericht einer Klage von Frauen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden Recht und bestätigte damit die Verfassungswidrigkeit der Innerrhoder Kantonsverfassung in diesem Punkt. So führte Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton das Stimmrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein, entgegen dem Mehrheitsentscheid der Männer. Und auch wenn einige Männer im kleinsten Kanton der Schweiz heute noch etwas «söderig» sind, dass ihnen da das Gericht an den Karren gefahren ist, eine weitere Männerbastion war gefallen.
Dass Frau es nicht einfach beim Stimmrecht belassen würde, war die logische Folge. 1971 wurde Elisabeth Blunschy Steiner in den Nationalrat gewählt. Das Kuriosum dabei: Ihr Wahlkanton Schwyz führte das Frauenstimmrecht erst ein Jahr später ein, ihre Wahl war also eine reine Männersache. Am 2. Mai 1977 wurde sie als erste Frau zur Nationalratspräsidentin erkoren, dem höchsten (repräsentativen) Amt, das die Schweizer Eidgenossenschaft zu vergeben hat.
1984 schliesslich wurde Elisabeth Kopp in die Landesregierung gewählt und damit zur ersten Bundesrätin der Schweiz. 1989 trat sie aufgrund eines politischen Skandals zurück. Ursprung des Ganzen: Ein eher unglückliches Telefonat mit ihrem – Mann.
Das verlorene Selbstvertrauen
Nun auch noch eine Frau Bundesrätin. Und was haben die Schweizer Männer während dieser ganzen Zeit, von 1971 bis heute, weniger als ein Lebenszeitalter, getan? Eigentlich nichts. Mann staunte, akzeptierte, übte sich in selbstauferlegter Toleranz und sah zu, wie die bislang ausschliesslich männlichen Felle den Fluss runterrauschten. Mann verlor Selbstvertrauen und sah sich plötzlich ebenerdig mit Frau. Aus dem Heimchen am Herd war plötzlich eine Konkurrentin geworden. Aus der beruflichen Kollegin wurde plötzlich eine Vorgesetzte. Mann war etwas ratlos. Wie damit umgehen?
Roland Breitler